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Atmet tief durch, sagt Sarah

Theorie ist das eine, praktisches Erleben das andere. Sarah Riehle weiß, wovon sie schreibt. Die 36-jährige lebt in Wedel und arbeitet als Übersetzerin und Lektorin. Ihre Fachgebiete sind Neurologie und inklusive Kommunikation, die Arbeitssprachen Englisch und Deutsch. Wir haben uns kennengelernt, als sie über Mehr miteinander! eine Begleitung fürs Schwimmen suchte. Seither stehen wir in Kontakt. Sarah nutzt aufgrund einer durch Sauerstoffmangel bei der Geburt verursachten Cerebralparese überwiegend einen Rollstuhl. Die hindert sie nicht daran, ihr Leben aktiv zu gestalten. An guten Tagen gerne ein paar Meter laufend. Sie musste nicht lange überlegen, ob sie regelmäßig für die Teilhabe-Info schreiben möchte. Klar wollte sie. Hier ihre Tipps für den Fall, dass es im Urlaub nicht so kommt wie sorgfältigst geplant.

Kurzfristiger Assistenzausfall in Urlaub oder Freizeit?
Das sind eure Möglichkeiten!

Sicher ist es euch auch schon so ergangen: Ihr habt euch Freizeitaktivitäten oder Urlaub in den schönsten Farben ausgemalt und geplant. Alles dafür sorgfältig ausgesucht, gebucht und vielleicht sogar schon bezahlt .Plötzlich ruft die eingeteilte Assistenzkraft an oder schickt eine WhatsApp-Nachricht, um den Einsatz – sei es wegen Krankheit, wegen eigener Fehlplanung oder wegen dringender persönlicher Angelegenheiten – kurzfristig abzusagen. Oder ihr habt (um dem vorzubeugen) eine Mehrfachbesetzung vorgenommen und die eingeplante Zweitkraft entsprechend informiert. Nun hat die Hauptassistenz während eures Urlaubs eine dringende Austauschbitte und die Ersatzkraft ist, allen Vorkehrungen zum Trotz, ewig nicht greifbar.

Bekommt ihr bei den Gedanken Schnappatmung? Ist Panik im Anflug?

Meine Tipps für den ersten Moment:

  • Atmet tief durch!
  • Bewahrt bestmöglich Ruhe.
  • Durchdenkt eure Möglichkeiten.
  • Kommuniziert euer Problem.

Zugegeben, leicht ist das nicht. Was außerdem auf den ersten Blick nach einer Schwäche aussieht – euer Problem zu kommunizieren – ist aber eine große Stärke. Dazu braucht ihr viel Mut. Aber es lohnt sich oft. Nur sprechenden Menschen kann geholfen werden! Vielleicht wissen die Personen, denen ihr euch anvertraut Rat, kennen eine mögliche Hilfsperson oder einen Pflegedienst in der Nähe. Oder wissen zumindest, wer etwas wissen könnte.

Nutzt dafür sowohl das persönliche Gespräch als auch alle (sozialen) Medien, mit denen ihr euch dafür wohlfühlt. Jede*r denkt und handelt da anders. Einige schwören auf Facebook und den WhatsApp-Status, andere greifen lieber auf einschlägige Portale wie assistenz.org, assistenzboerse.de oder eBay-Kleinanzeigen zurück, um eine Lösung zu finden.

Versucht euch vorzustellen, was schlimmstenfalls wäre, wenn ihr:

  •  der Tauschbitte nachkommt.
  • aus anderen Gründen plötzlich mit jemand Ungewohntem klarkommen müsst.
  • eine begrenzte Zeit, allein oder als Team, auf euch selbst gestellt seid.

Und dann los! 

Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Mehr als einmal haben tolle Menschen und ich in solchen Situationen auf diese Weise zusammengefunden. 

Solltet ihr leer ausgehen, ist das nicht schön. Aber: Ihr werdet feststellen, dass Not erfinderisch macht! Möglicherweise kommt ihr auf Ideen, die euch unter normalen Umständen gar nicht eingefallen wären. Sollten alle Stricke reißen, können die meisten von uns ihren mobilen Hausnotruf nutzen.

Je nach Situation kann es, als allerletztes Mittel, auch ratsam sein die geplanten Aktionen abzubrechen. Eure Gesundheit soll sicher nicht ernsthaft leiden. Wenn ihr, statt Erholung und Vergnügen, gefühlt Dauerpanik habt, ist das auch keine Lösung. Diese Entscheidung will gut überlegt sein und liegt bei euch. Ihr seid Chef*in eures Lebens!

Jedenfalls könnt ihr stolz auf euch sein! Das hättet ihr nie erlebt, wärt ihr nicht beherzt sprichwörtlich ins kalte Wasser gesprungen und hättet es nicht einfach versucht. 

Am Ende steht bestenfalls ein schönes Abenteuer. Eines, das ihr noch lange erinnert, von dem ihr erzählt und durch das ihr, mit etwas Abstand, vielleicht sogar über euch schmunzelt…