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Einfach und schwer zugleich, sagt Sarah

Theorie ist das eine, praktisches Erleben das andere. Sarah Riehle weiß, wovon sie schreibt. Die 36-jährige lebt in Wedel und arbeitet als Übersetzerin und Lektorin. Ihre Fachgebiete sind Neurologie und inklusive Kommunikation, die Arbeitssprachen Englisch und Deutsch. Wir haben uns kennengelernt, als sie über Mehr miteinander! eine Begleitung fürs Schwimmen suchte. Seither stehen wir in Kontakt. Sarah nutzt aufgrund einer durch Sauerstoffmangel bei der Geburt verursachten Cerebralparese überwiegend einen Rollstuhl. Die hindert sie nicht daran, ihr Leben aktiv zu gestalten. An guten Tagen gerne ein paar Meter laufend. Sie musste nicht lange überlegen, ob sie regelmäßig für die Teilhabe-Info schreiben möchte. Klar wollte sie. Hier ihre Tipps für inklusive Kommunikation.

Inklusion ist ein Dauerbrenner – spätestens seit Deutschlands Unterzeichnung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) vor über 12 Jahren. Mal ehrlich: Die meisten von uns können das Wort nicht mehr hören. Geschweige denn die häufig damit verbundene Übertreibung oder das viele „Nichts-über-uns-ohne-uns“ ertragen. Alles in dem unbedingten Willen, „Inklusion“ gerecht zu werden. Klar, dass dieser Prozess sich darauf auswirkt, wie wir miteinander kommunizieren.

Kommt einfach mit auf einen kleinen Ausflug in die inklusive Kommunikation.Wer ein perfekt ausgefeiltes Regelwerk erwartet, das er oder sie nur noch anzuwenden braucht, wird enttäuscht. Wer mit dem erhobenen Zeigefinger rechnet, ebenfalls. Ich möchte euer Bewusstsein schärfen. Worum geht es bei inklusiver Kommunikation?

  • Was Inklusion ist und wie sie aussehen sollte, wurde und wird meist denen festgelegt, die sie nicht nutzen müssen. 
  • Es fehlt daher, gerade im papier- und normliebenden Deutschland, an Praxisbezug und schneller Umsetzbarkeit.
  • Kommunikation ist sehr lebendig. Daher ändern sich ihre (mitunter ungeschriebenen!) Regeln ständig.
  • Wir alle haben andere unsere eigenen Erlebnisse, Erfahrungen, Prägungen. Also fühlen, denken und handeln wir wie wir selbst – und anders als die anderen. Es allen recht zu machen ist unmöglich.
  • Wenn euch etwas an der Kommunikationsweise eures Gegenübers stört, weist die Person unmittelbar darauf hin. Ein- bis zweimal, dann sollte sie oder er eure Bitte verstanden haben. Ansonsten ist das ein Hinweis, euch zurückzuziehen. Um eurer eigenen Ausgeglichenheit willen!
  • Jede und jeder hat gute und schlechte Tage. Beidseitige Ausrutscher sind keine Entschuldigung dafür. Aber eine Erklärung.

In der Familie, im Freundeskreis, bei der Arbeit, in der Nachbarschaft oder beim Einkaufen ist schon viel gewonnen, wenn ihr als Mensch ohne Behinderung bedenkt:

  • Seht uns alle als Menschen und nicht (nur) unsere Behinderung(en).
  • WER sagt etwas? WIE sagt sie oder er etwas? Nicht unterschätzen.
  • Verwechselt Nachteilsausgleiche aller Art nicht mit Vorteilen.
  • Gesteht uns zu, was ihr für euch selbst wollt oder schon habt.

Wenn ihr unsicher seid, wie jemand mit Behinderung zu Dingen steht oder sie sich wünscht, ist es absolut okay nachzufragen bevor ihr handelt. Etwa zum Beispiel, wenn ihr eine andere Person berührt, ihre privaten Räume betretet oder ihr helft.

Sollte trotz aller Umsicht mal etwas Unbedachtes passieren, lässt sich das mit einer ehrlichen Entschuldigung aus der Welt schaffen. Es ist nie zu spät, sich zu hinterfragen und das eigene Verhalten bei Bedarf zu ändern. Das gilt für jegliche Kommunikation, meine ich. Also auch für inklusive Kommunikation ist, die ja erst später ihren Namen bekam. Und manchmal hilft nur: Durchatmen. Akzeptieren. Zurückziehen. Es ist einfach und schwer zugleich.