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Gastbeitrag von Natascha Thoelen

Ein Dankeschön für Hilfe, wenn das System versagt

„Vielen Dank für diesen besonderen Menschen. Es ist unglaublich, wie wenig Unterstützung man bekommt von Seiten des Staates, vor allem von Krankenkassen. Die Krankenkasse hätte mich vier Wochen zuhause gelassen. Aber mein Wunsch war es, in die Schule zu gehen. Die Fahrtkosten wollten sie nicht bezahlen. Taxikosten wären für einen Monat von Zuhause zur Schule und wieder zurück in Höhe von 3000 Euro gewesen. Welcher Mensch könnte sich das leisten. Dieser unglaubliche und hilfsbereite Mensch hat mich ehrenamtlich jeden Tag zur Schule gebracht und wieder abgeholt. Ein Herz voller Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft. Heute war mein letzter Tag im Rollstuhl, und es freut mich sehr, denn die Herausforderungen, die man im Rollstuhl hat, sind noch so hoch. Türen, Bordsteine, keine Fahrstühle, Toiletten. Es gibt so viele Hindernisse, die einem gar nicht klar sind, wenn man nicht mal einige Zeit im Rollstuhl verbracht hat. Ich kann euch nur raten, haltet die Augen auf, und helft einander. Keiner sollte für etwas von der Gesellschaft ausgeschlossen werden.“

Diese Zeilen hat meine 19jährige Tochter Alisha Heinemann (Foto vor ihrer Schule in Hamburg) verfasst und in den sozialen Medien veröffentlicht zum Dank an Sven Bartzen (Foto) und seine Frau Bärbel Bartzen. Unser beider Dank gilt in gleichem Maße auch Antje Hachenberg und ihrem wunderbaren Netzwerk „Mehr miteinander“. Ohne sie hätten wir diese außergewöhnlichen Menschen nicht kennengelernt, die genau in dem Moment für uns da waren, als wir dringend Hilfe benötigten und das staatliche System versagte. 

Meine Tochter war im Rahmen einer Rehabilitation nach einer komplizierten Knieoperation für die Dauer von einem Monat auf einen Rollstuhl angewiesen, um halbwegs mobil zu bleiben. Ein solcher wird von den Krankenkassen auch ohne große Probleme zur Verfügung gestellt. Danach wird man, mit der plötzlich komplett auf den Kopf gestellten Lebenssituation, vollkommen allein gelassen. Nicht nur, dass einem bewusst wird, an wie vielen Stellen wir noch weit von einer Barrierefreiheit in unserer Gesellschaft entfernt sind. Von einem auf den anderen Moment in einen Rollstuhl zu wechseln, ist zudem fast unmöglich. Für vier Wochen alle Voraussetzungen für einen reibungslosen Tagesablauf zu schaffen, noch undenkbarer. Auf der anderen Seite möchte man meinen, dass es gerade für einen so kurzen, überschaubaren Zeitraum (für eine Krankenkasse auch in finanzieller Hinsicht) zu machen sein sollte, Hilfe zu bekommen von einer Institution wie Kranken-, Pflegekasse oder dergleichen.

Leider ist das eine Fehlanzeige. Der Rollstuhl war da, aber wie meine Tochter jeden Tag aus Hasloh im Kreis Pinneberg in ihre Schule nach Hamburg und zurückkommen sollte, damit ließ man uns völlig allein. Fahrtkostenübernahme für vier Wochen, Fehlanzeige. Einen Krankentransport in Höhe von mehreren Hundert Euro (pro Fahrt) zum Arzt oder zu einer Therapie hätten sie übernommen, auch jeden Tag. Ein rollstuhlgerechtes Taxi, das nur einen Bruchteil davon kostet, um zur Bildungseinrichtung zu gelangen, Fehlanzeige. Als alleinerziehende, berufstätige Mutter von insgesamt drei Kindern wäre das tägliche Hinbringen und Abholen für mich eine nicht stemmbare zusätzliche Mammutaufgabe gewesen. 

Ich wandte mich an Antje, und wir hatten wahnsinniges Glück, das wir zunächst gar nicht fassen konnten. Für uns fremde Menschen waren bereit, uns zu helfen, ohne lange nachzudenken, ohne Bedingungen. Was für ein tolles Netzwerk. Und wie „einfach“ kann Hilfe im Grunde sein, wenn sie von Menschen gemacht wird, die zuerst an den hilfebedürftigen Menschen denken und nicht, was es kostet.

Vielen Dank, liebe Antje, und vielen Dank, liebe Eheleute Bartzen. Ihr bleibt für immer in unseren Herzen.