Theorie ist das eine, praktisches Erleben das andere. Sarah Riehle weiß, wovon sie schreibt. Die 36-jährige lebt in Wedel und arbeitet als Übersetzerin und Lektorin. Ihre Fachgebiete sind Neurologie und inklusive Kommunikation, die Arbeitssprachen Englisch und Deutsch. Wir haben uns kennengelernt, als sie über Mehr miteinander! eine Begleitung fürs Schwimmen suchte. Seither stehen wir in Kontakt. Sarah nutzt aufgrund einer durch Sauerstoffmangel bei der Geburt verursachten Cerebralparese überwiegend einen Rollstuhl. Die hindert sie nicht daran, ihr Leben aktiv zu gestalten. An guten Tagen gerne ein paar Meter laufend. Sie musste nicht lange überlegen, ob sie regelmäßig für die Teilhabe-Info schreiben möchte. Klar wollte sie. Hier ihre Betrachtungen zu Selbsthilfe („negativ besetzt – oft unterschätzt„):
Was ist Selbsthilfe?
Ihr habt ein Problem.
Dann habt ihr eine Idee.
Ihr wisst jetzt:
Das könnt ihr tun.
Dann habt ihr kein Problem mehr.
Das ist Selbsthilfe
Vielleicht hat jemand ein Problem.
Die Person weiß noch nicht:
Das kann die Person tun.
Dann hat sie oder er kein Problem mehr.
Ihr sprecht miteinander.
Die Person spricht vom Problem.
Ihr habt eine Idee.
Und sprecht davon.
Oder:
Ihr tut was für sie oder ihn.
Dann hat die Person Zeit für das Problem.
Und später kein Problem mehr.
Das ist auch Selbsthilfe.
Ein schweres Wort.
Viele schwere Wörter werden leichter,
wenn man eine Geschichte weiß:
Stellt euch vor:
Ihr seid auf einer Insel gestrandet.
Das Boot ist kaputt.
Darum fährt es nicht mehr.
Ihr könnt da nicht weg.
Später habt ihr Hunger.
Ein Eimer voller Fische ist toll.
Dann könnt ihr die Fische einfach essen.
Aber:
Ihr wisst nächstes Mal nicht:
Wo sind Dinge,
aus denen ihr ein Netz
oder eine Angel machen könnt.
Oder:
Wie ihr ein Netz
oder eine Angel macht.
Und damit Fische fangt.
Besser ist:
Jemand zeigt euch,
wo Dinge sind,
aus denen ihr ein Netz
oder eine Angel machen könnt.
Auch wie ihr damit Fische fangt.
Oder wo ihr Wasser zum Trinken
und Beeren zum Essen findet.
Welche Beeren gut sind
und welche giftig.
Am besten jemand zeigt euch:
Wie ihr ein einfaches Haus baut,
- das Boot,
- das Netz,
- die Angel
wieder heil macht.
Dann wisst ihr nächstes Mal:
Das muss ich tun
um satt zu werden,
wenn ich
Hunger oder Durst habe.
Oder:
Das muss ich tun,
damit ich
- das Boot,
- das Netz,
- die Angel
wieder nutzen kann.
Keine*r kann alles.
Hilfe anzunehmen ist wichtig.
Ihr müsst wissen,
wer kann,
was ihr nicht könnt.
Jede*r kann was anderes gut.
Und jede*r mag was anderes.
Vielleicht kann jemand
etwas nicht,
das ihr gut könnt.
Dann tauscht einfach!